Ein Eroberer 1908

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Sei gegrüßt, du fröhlich Märchen,
Sei willkommen, Karneval,
Kommt, Ihr beiden kleinen Närrchen,
Kommt, wir gehen zum Faschingsball!
Was uns auch bisher woll´t schrecken,
In des Werktags trübem Grau,
Heut werft alles in die Ecken,
Heut ist uns der Himmel blau!

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Sei gegrüßt, du fröhlich Märchen,
Sei willkommen, Karneval,
Kommt, Ihr beiden kleinen Närrchen,
Kommt, wir gehen zum Faschingsball!
Was uns auch bisher woll´t schrecken,
In des Werktags trübem Grau,
Heut werft alles in die Ecken,
Heut ist uns der Himmel blau!

———————–

Seht ihr, wie ich Späße mache?
Seht ihr wie voll Übermut
Ich die ganze Welt verlache
Als ein echtes Wiener Blut?
Denn beim Lachen und beim Scherzen,
Beim gebräuchlich süßen „Du“
Fliegen eure jungen Herzen
Mir wie Schmetterlinge zu!

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Freude, die uns Gott gegeben,
Blüht wie Lenz in Winternacht,
Kathi, Poldi, Ihr sollt leben,
Samt der schwarzen Maskentracht!
Hand in Hand zum frohen Reigen
Lockt uns der Trompeten Schall,
Alle Sorgen müssen schweigen –
Sei gegrüßt, mein Karneval! 


Politische Humorrevue 1. Quartal 1899

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Beginn der Serie: Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

14. Januar: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein* hat den über seine Brauerei in Bodenbach verhängten Boykott zur Kenntnis genommen und beschlossen zu – schweigen.

* Vom März 1898 bis Anfang Oktober 1899 war Graf Franz v. Thun-Hohenstein k.k. Ministerpräsident und Innenminister der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder.

Vorschlag zur Güte

Könnte nach der geplanten Einführung einer angemessenen körperlichen Züchtigung in den Schulen im Bedarfsfalle nicht auch eine solche der „unbotmäßigen“ – Lehrer platzgreifen, oder wenigstens von „oben herab“ nachgetragen werden, was in dieser Richtung früher etwa versäumt worden ist?

Demetierspritze ( zur gesetzliche Regelung der Sprachenfrage gültig für Böhmen und Mähren)

  1. Spritzer: Justitzminister Dr v. Ruber stellt es entschieden in Abrede, für Schleßien, beziehungsweise dessen Gerichte, eine Sprachenverordnung erlassen zu haben. (Man wird nicht naß.)
  2. Spritzer: Die angebliche Sprachenverordnung für Schleßien gilt für die politischen Behörden, tangiert aber die Gerichtsbehörden nicht im Mindesten. (Man bleibt so trocken wie zuvor.)
  3. Spritzer: Eine f o r m e l l e  Verordnung — wie wir mit aller Bestimmtheit versichern können — wurde für die schleßischen Gerichte nicht erlassen. Wahrscheinlich sind die Gerichte „von selbst“ böhmisch geworden. (Auch jetzt ändert sich an der Trockenheit so gut wie nichts.)

Die höchste Rechtsinstanz Österreichs, der oberste Gerichtshof, hat in zwei kurz aufeinander gefolgten Entscheidungen die Sprachenverordnungen das eine Mal als gesetzeswidrig und das andere Mal als gesetzlich erklärt. Es ist damit endlich die viel umstrittene Frage der Rechtsgültigkeit der Sprachenverordnungen sowohl für die geraden, als auch für die ungeraden Tage entschieden. Es gibt eben noch Richter in Österreich!

Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

28. Januar 1899: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein wartet ab, was die Zukunft noch alles bringen wird. 

In Sachen der verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte

Um den hohen Ernst, mit welchem die Ministeranklagen entgegengenommen werden, gründlich zu kennzeichnen, ist eine Anfrage an die Käsehändler ergangen, ob sie nicht beschriebenes Makulaturpapier zu billigen Preisen zu kaufen wünschen. 

Noch eine Schreckensnachricht:

Schon wieder wurde eine Frauensperson mit aufgeschlitzem Bauch tot gefunden. Die Entleibte ist, wie aus den vorgefundenen Papieren hervorgeht, mit der österreichischen Verfassung identisch. Auf dem Boden umher fand man Koriandoli zerstreut, welche vielleicht auf die Spur des Täters führen werden.

Sicherem Vernehmen nach wird das anglo-österreichische Museum am Stubenring demnächst mit einer neuen Sprachenverordnung an die Bevölkerung Österreichs herantreten und zwar in dem Sinne, daß neben den slawischen Sprachen nur mehr die englische Sprache gepflegt werden darf.

Nur dadurch wäre es möglich, der Bevölkerung das notwendige Verständnis für die Winterausstellung im Museum beizubringen und gleichzeitig das angestrebte Ziel zu erreichen, daß sich die Leute endlich jene Namen und englischen Firmen merken, bei welchen sie ihre allfälligen Einkäufe und Bestellungen zu machen haben. 

Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

4. Februar 1899: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein hat seinen Kammerdiener gefragt, ob es vielleicht schon bedeutendere Staatsmänner gegeben hat, als ihn.

Ominöser Druckfehler

Unmittelbar nach der letzten Sitzung wurde dem Präsidium die Verjagung des Parlamentes durch den Ministerpräsidenten angekündigt.

Kahlenberger und Grinzinger

– „Wissen Sie, warum der Stadtrat beantragt hat, daß sich die Gemeinde Wien mit zwei Millionen Gulden bei dem Kirchenbauanleihen beteiligen soll?“

= „Habe keine Ahnung.“

– „Damit die barfußgehenden Schulkinder in den neuen Kirchen um Schuhe beten können.“

Optimist und Pessimist

Optimist: „Selbst der Übelwollendste muß zugeben, daß alle Maßnahmen der Regierung Hand und Fuß haben.“

Pessimist: „Ja, aber keinen Kopf.“

Aus einem geheimen Dossier

Während der Parlamentspause sollen von der Regierung des Grafen Thun die energischen Versuche zur Auseinanderversöhnung der einzelnen Volksstämme fortgesetzt werden. (Wenn der Regierung warm wird, stellt sie das Parlament kalt.)

Fortsetzung folgt…..

Pariser Chronik Februar 1889

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Der Februar war diesmal ungnädiger, als es seine Art zu sein pflegt. Sonst schickte er uns, mit der hinterlistigen Absicht allerdings, sich im März durch einige Schneestürme wieder schadlos zu halten, schon in den tollsten Carnevalswirbel einige warme Brisen von der südlichen Riviera in die Stadt, damit die paar Menschen, welche nicht in der Lage sind, auf fashionable Weise in Cannes ihren Husten und in Monte Carlo ihr Geld zu verlieren, auch eine Ahnung von der irdischen Glückseligkeit bekommen; in… Read more.

Ein neues Nagetier in Böhmen 1911

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In mehreren Blättern erschienen kürzlich Berichte über ein neues Nagetier in Böhmen, über die sogenannte Biberratte.

Im Jahre 1906 wurden einige Exemplare der Biberratte von Josef Fürsten zu Colloredo-Mannsfeld behufs Belebung des Parkteichs in Dobris ausgelassen und haben sich dort in den letzten Jahren in der weitesten Umgebung ziemlich verbreitet. Ihr Vorkommen ist hauptsächlich an jene Teiche gebunden, die reichlich mit Schilf bewachsen sind und flache, sandige Ufer haben. Auch an langsam fließenden Bächen sind die Biberratten jetzt anzutreffen.

Die Heimat der Biberratte ist Nordamerika. Ihre ganze Körperbauart ist zum Schwimmen eingerichtet; sie schwimmt und taucht ebenso meisterhaft wie die Fischotter. Dieser ist auch das Pelzwerk der Biberratte ähnlich.

Unsere Welt in Zahlen 1909

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Im Jahrbuch 1909 des „Bureau des Longitudes“ in Paris werden auf Grund der neuesten Arbeiten einige Zahlen der  geographischen Statistik zusammengestellt, von denen die größten auf verschiedenen Gebieten hier wiedergegeben seien: Zunächst die Größe der Erdteile: Europa          10,100.000 Quadratkilometer,    437 Mill. Einwohner…… 43 pro Quadratkilometer Afrika            31,500.000 Quadratkilometer,    126 Mill. Einwohner….....3 pro Quadratkilometer Asien             41,600.000 Quadratkilometer,    851 Mill. Einwohner…..20 pro Quadratkilometer Ozeanien                                                            51 Mill. Einwohner………4 pro Quadratkilometer Nordamerika  26,000.000 Quadratkilometer,  116 Mill. Einwohner……..4 pro Quadratkilometer Südamerika   18,500.000 Quadratkilometer,     45… Read more.

Über Eisenbahnfahrten 1890

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Das Eisenbahnfahren ist nach Ansicht der Mehrheit, eigentlich eine Strafe, weil unsere Eisenbahnverwaltungen es noch nicht, gleich den amerikanischen, verstanden haben, dem Reisenden die gleichen Annehmlichkeiten zu bieten, wie sie von den Dampfschiffen geboten werden. So zahlen Viele, die es sonst eilig nicht haben, gern einen höheren Preis, um dem Eisenbahnwagen schneller zu entrinnen. Daher die erhöhten Tarife für Schnellzüge. Daher wohl auch der Vorschlag eines Fachmannes, des Dr. Vietor, Eisenbahnfahrten nicht mehr nach der zurückgelegten Entfernung, sondern nach der… Read more.

Literarische Rundschau: Sir John Lubbock

Sir John Lubbock: Die Freuden des Lebens

Unter diesem Titel ist soeben im Verlage von Friedrich Pfeilstücker in Berlin eine deutsche Ausgabe des in England bereits in zwölf Auflagen erschienenen Buches von Sir John Lubbock veröffentlicht worden. Über den Inhalt des Werkchens, welches uns in zweiter Auflage vorliegt, geben uns am besten die Kapitelüberschriften Aufschluß:

Die Pflicht glücklich zu sein. – Das Glück der Pflicht. – Ein Bücherhymnus. – Bücherwahl. – Der Segen der Freundschaft. – Der Wert der Zeit. – Reisefreuden. – Die Freuden des Heims. – Die Wissenschaft. – Erziehung.

Sie John Lubbock meint, die Menschen könnten die Kunst, glücklich zu sein, mit leichter Mühe erlernen, wenn sie denn nur ernstlich wollten, und er denkt, die Freuden des Lebens seien gleichsam wie auf einem Buffet in dem großen Ballsaal des Lebens zu jedermanns Gebrauch aufgestellt. Ja, Lubbock redet sogar nicht von einer „Kunst“, sondern von einer „Pflicht“ glücklich zu sein. Das der englische Forscher mit derartigen Ansichten und Behauptungen vereinzelt dasteht, bedarf kaum der Erwähnung. Übrigens ist das Büchlein recht frisch und anregend geschrieben und verdient schon wegen seines Reichtums an Citaten Empfehlung.

Die Presse der Welt 1889

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Über den Wert der Presse, der Tagespresse sowohl wie der Zeitschriften, ist oft und viel gestritten worden. Talleyrand bezeichnete die Presse einmal als den Turnierplatz der öffentlichen Meinung, ein charakteristischer Ausdruck, der zugleich die Notwendigkeit und Nützlichkeit des Zeitungswesens zugibt und damit ihre Existenzberechtigung bejaht. Schon Julius Cäsar mag sich von der Zweckmäßigkeit einer Tageschronik im Interesse der außerhalb Roms lebenden Staatsangehörigen überzeugt haben, denn die acta diurna publica, die Zeitungen des alten Rom, waren eine Gründung Cäsars. Freilich lassen… Read more.

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