Münchner Malerinnen – Ida Klaus, 1906

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Die Damenakademie

Ida Klaus (München) in ihrem Atelier

„Solange wir vereinzelt in der Menge stehen, werden wir nicht vorwärts kommen“, rief im Tone der Mutlosigkeit eine der jungen Damen. Die Kolleginnen stimmten lebhaft bei; und nun erzählte jede von den vier Malerinnen ihre Leidensgeschichte.

Sie bewegten sich um einen Kernpunkt: keine Unterstützung und Förderung von außen; ein harter, ohnmächtiger Kampf gegen die solidarisch, in kompakter Masse vorgehenden Künstlergenossenschaften; gegen vorgefaßte Meinung, offenkundige Geringschätzung und geheime Intrige. „Nur durch gemeinsames Vorgehen können wir diese ungeheuren Hindernisse überwinden,“ versicherten die Kunstbeflissenen einstimmig. Sie formulierten damals das Prinzip, auf dem die Kraft der Frauenbewegung fußt.

Dieses Gespräch aber, im Münchner Atelier der Österreicherin Rettig-Klesins geführt, begründete den Künstlerverein ( Damenakademie), der im November 1907 sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiern wird.

Frau Rettig-Klesins schlug vor, die Münchner malenden Damen mögen sich zu dem Zwecke gegenseitiger Förderung und Anregung sowie Besprechung gemeinsamer Interessen in ihrem Atelier versammeln. Bald erwies sich der Raum als zu beschränkt für die wachsende Zahl der Teilnehmerinnen. Ein größeres Atelier wurde gemietet und unter der Präsidentschaft der Gattin von Felix Dahn, Frau Sophie Dahn-Fries, wurde die Damenakademie gegründet. Allmählich erweitert und gefestigt, konnte der Verein an den Bau eines eigenen Atelierhauses schreiten. Ein Fräulein Johanna Teklenborg haftete in der uneigennüzigsten Weise mit ihrem Vermögen für die aufgebrachten Anteilscheine.

Heute wird das nahe den Pinakotheken in einem freundlichen Gartenkomplex gelegene Vereinshaus von Schülerinnen aller Nationen aufgesucht. Es ergab sich im Laufe der Zeit das amüsante Resultat, das der Künstlerinnenverein eine wahre Pépinière für Lehrkräfte wurde. Immer wieder werden von dort Professoren für Staatsinstitute rekrutiert. Die Damen beweisen also schon durch die Wahl ihrer Meister, die sie der Malerakademie entnehmen, ihr hervorragendes Kunstverständnis.

Wohlklingende Namen wie Ludwig Herterich, Max Dasio, Schmitt-Reutte ( jetzt Karlsruhe), Christian Landenberge (Stuttgart), Friedrich Fehr und andere begannen ihre Lehrtätigkeit in den Korrektursälen des Künstlerinnenvereins. Gegenwärtig sind dort die bekannten Maler Angelo Jank, Heinrich Knirr ( Österreicher), Max Feldbauer, Robert Engels und Julius Diez mit der Korrektur betraut. Es würde zu weit führen, wollten wir hier die bekannten Namen nennen, die aus diesem Verein hervorgegengen sind. So ziemlich jede Malerin hat dort kürzer oder länger Unterricht genossen, bis auf einzelne, deren Mittel für Privatunterricht reichten. So hatte die vielbeschäftigte Porträtistin Tini Ruprecht das Glück, von Lenbach selbst geleitet zu werden, der auch solche, die von ihm gemalt werden wollten , an die junge Künstlerin verwies. Sie bringt jetzt einen großen Teil ihrer Zeit im Auslande: England, Belgien und auch viel in Berlin zu, um den dortigen Bestellungen gerecht zu werden.

Eine andere selbstständig herangebildete Künstlerin ist die Gemahlin des jetzigen Verkehrsministers, Helene Frauendorfer-Mühltaler, bekannt durch ihre feingetönten Pastelle. Sie war entrüstet, als ihr die Freunde gelegentlich ihres Gatten Ernennung zumuteten, sie würde jetzt ihre Kunst aufgeben. „Malerin bin ich und Malerin bleib´ich,“ dekretierte sie. Die auch in Wien durch ihre an den Kaiser verkauften Bilder bekannte Frau Professor Max-Ehrler hat, ehe sie nach München kam, wo sie seit Jahren tätig ist, von Makart Unterricht genossen.

Dagegen sind feste Stützen des Künstlerinnenvereins und vorteilhaft bekannt:

  • v. Kunovski, deren nervös empfundene Portraits in silbriggrauen und braunen Tönen große Eigenart bekunden;
  • Ellen Tornquist, die mit breitangelegten kraftvollen Landschaften auf den Plan tritt,
  • Julie Graeff, die zu den Ausstellungen flotte, farbenfreudige Charakterstudien bringt, und die Österreicherin
  • Helga Hönigsmann, die fleißig gemalte Interieurs, Blumen, und Landschaften darbietet und als Lehrerin in den aristokratischen Kreisen Münchens sehr beliebt ist.

Der allso befestigte und in reger Tätigkeit begriffenen Künstlerinnenverein hat in den letzten Jahren seine „Sezession“ erfahren. Einige von den begabtesten Mitgliedern traten aus, um unter einer neu gegründeten „Verbindung bildender Künstlerinnen“ sich zu betätigen. Starke, selbstständige Talente „stürmen und drängen“ zu allen Zeiten an allen Orten. Vorher war auch in Berlin ein weibliches „Jungdeutschland“ der bildenden Künste in Aktion getreten, und dieses schloß sich dem Münchner Verbande an. Die tapfere Schar wird von nun an zusammengehen. Unter den Berlinerinnen befinden sich: Käthe Kollwitz, Dora Hitz usw. In München wirken bereits einige Malerinnen, deren Erfolge deutlich genug für ihre Qualifikationen sprechen.

Eine der erfolgreichsten jüngeren Künstlerinnen ist Ida C(K)laus. Sie steht mit lauschender Seele vor den Wundern der Natur und erfaßt ein Bild mit seltener Markigkeit und Lebensfreude. Ein liebes Mädchengesicht spricht sich da in frischer, freier Weise aus.
Sie beschickte einige Jahre lang die Ausstellungen unter dem Namen I.Claus. Und die Kunstkritik war voll des Lobes über diesen „jungen Künstler“. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ schrieben unter anderem: „Pastos und farbig gemalt, bei aller Breite und Flottheit des Vortrags überaus ernste gediegene Arbeiten, in denen das Gewollte voll erreicht und klar erkennbar ist.“ „Markig, lebensfroh und geschlossen,“ schreibt ein anderes großes Blatt. Und wieder 1904: „Schon daß sich der Künstler solch herbe nüchterne Motive wählt, daß er so wenig Wert darauf legt, gefällig und liebenswürdig zu erscheinen, nimmt für ihn ein.“

Ob wohl die Herren Kritiker sich hätten einnehmen lassen von den sonnigen Bildern, wenn statt I. der sanfte Namen Ida gezeichnet gewesen wäre?! Jedenfalls hätten dann die herben Motive auf Unweiblichkeit gedeutet; und im Ernst, in der Geschlossenheit läge die gewollte Männlichkeit.
Nichts liegt der zarten Ida ferner, als in irgendeiner Weise für das zu gelten, was sie nicht ist. Innerhalb ihrer selbstgesteckten Grenzen bewegt sie sich mit Sicherheit und Anmut. Sie liebt die Sonnenstreifen auf den Wellen und Wiesen, die kleinen verstohlenen Sonnenflecke auf der Scheunenwand und dem Bachesrand. Enten und Kinder patschen behaglich im Wasser; Buben suchen nach Muscheln. Fischer flicken die Netze oder basteln an ihren Barken. Alles, was zum primitiven, gesunden Leben gehört, reizt das Auge dieser Künstlerin. Die „Frau auf dem Felde“ sitzt so glücklich unter der Sonne da nach dem vollbrachten Tagwerk. Ihre Kinder um sich, wunschlos, wie eingelullt von stillen Pflichten.

Ida C(K)laus hat ihre Studien in Berlin bei Skarbina und bei Liebermann begonnen. Dann lockte sie die „südliche“ Stadt München, wo sie bei Jank und Schramm-Zittau Unterricht genoß. Jetzt ist ihr auch die Isarstadt nicht südlich genug, sie sucht die Ligurische Küste auf, Südfrankreich, den Genfer See, von wo sie allemal ein Stückchen Himmel auf ihrer Leinwand mitbringt. Fräulein Claus wird durch eine jugendliche, modern denkende Mutter in ihrem Werke unterstützt. Nach dem Tode ihres Gatten, der norddeutscher Offizier war, widmete sich die künstlerisch fein empfindende Frau ganz ihrer begabten Tochter, der sie die Wege ebnet.

Möge ein hohes Ziel Ida Claus erwarten!

Lela Davitschoff, 1906

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