Das Freihaus in Wien , 1908

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Das Freihaus am Naschmarkt
Plan des Freihauses

Wieder einmal schwebt das Schicksal über einem Stück Alt- Wien, das – ein Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten – längst dicht von Neubauten eingeschlossen ist und als ein lästig gewordenes Verkehrshindernis beseitigt werden soll.

Das sogenannte „Freihaus“ soll fallen – jenes ungeheure Gebäude, das nahezu 2000 Menschen zur Wohnung dient und das auf immer mit der Kunstgeschichte verbunden ist: stand doch in einem von den vielen Höfen, die seine Mauern umschließen, Schikaneders hölzernes Theater, aus dessen wackliger Bühne an jenem denkwürdigen 3. September 1791 die „Zauberflöte“ zum erstenmal gespielt wurde; der dicke Schikaneder trieb als Papageno auf der Bühne seine Possen, am Dirigentenpult aber saß der blasse Mozart und dirigierte, selbst schon dem Tod verfallen, das Werk, in dem er wie mit einem letzten leuchtenden Liebesblick vom Leben Abschied genommen hatte!

Carl Pippich: Freihaus am Naschmarkt
Carl Pippich: Freihaus am Naschmarkt

Noch ist es nicht entschieden, ob das alte Haus wirklich schon in der allernächsten Zeit eingerissen werden soll – aber auch wenn die Demolierung wieder aufgeschoben werden sollte, ist es doch sicher, daß das Freihaus nicht mehr lang wird stehenbleiben können.

Heute steht das Freihaus wie ein Aschenbrödel mitten in der prächtigsten baulichen Umgebung. Es ist umrahmt von breiten und verkehrsreichen Straßen, prachtvolle Monumentalbauten erheben sich in seiner Nähe, über dem eingewölbten Wienfluß dehnt sich der riesenhafte Karlsplatz aus, dicht vor ihm liegt der große Blumen- und Obstmarkt, dem der Wiener Volksmund den appeteilichen Namen „Naschmarkt“ gegeben hat, und knapp an seiner Seite poltern in einem Einschnitt die Züge der Stadtbahn dahin. 1908

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