Der Ehrentag eines großen Kaufhauses, 1889

·

Nicht nur Paris und die amerikanischen Großstädte dürfen sich rühmen, großartige Kaufhäuser zu besitzen, sondern auch unser Vaterland und speziell Berlin weist ein solch ungeheures Magazin auf, in für alle Bedürfnisse des Menschen, soweit sie sich auf die Schmückung seines Äußeren und die Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens beziehen, gesorgt ist.

Der Umstand, daß diese Berliner Firma vor kurzem ihr fünfzigjähriges Bestehen gefeiert hat, läßt einen Blick auf ihre Geschäftstätigkeit tunlich erscheinen, die aus eigener Anschauung kennen zu lernen kein Fremder versäumt. In der Tat gestaltet sich ein Besuch in dem in der Breitenstraße zu Berlin befindlichen Geschäftslokale der Firma Rudolf Herzog zu einem amüsanten Zeitvertreibe. Gleichviel ob man wenig oder viel kauft, ein Fünfzigpfennigstück oder einen Tausendmarkschein an der Kasse niederlegt – jeder Besucher ist willkommen und wird mit vollendeter Courtoisie empfangen; diensteifrige Führer geleiten ihn in diejenige Waren-Abteilung, welcher die Erfüllung seines Begehrens obliegt. Da gehts dann Trepp auf Trepp ab, durch lange, reichdekorierte Säle, an deren Wänden die Regale mit den verlockend ausschauenden Waren gefüllt sind. Das Einfache und Kostbare ist gleich vertreten, prunklose Leinwand und glänzend schillernde Seide, derbe Wollstoffe und zarte Spitzengewebe, Wäsche, Gardienen, Möbelstoffe, Decken, Teppiche, Schirme, all die zahllosen kleinen Gegenstände, die zur Ausstattung einer Dame gehören oder das Heim behaglich zu machen bestimmt sind, werden in größter Auswahl und zu mäßigen und festen Preisen ausgeboten.

Geschäftshaus Rudolf Herzog in Berlin – Seidenlager

Unsere Bilder geben von dem Treiben in dem Geschäftslokal eine Vorstellung, selbstverständlich dominieren unter den Kauflustigen die Damen, aber auch die Herren gehen gerne zu Herzog, da sie wissen, daß dort ihre Unkenntnis in diesen Dingen nicht ausgebeutet wird. Nicht nur die Berliner Bevölkerung, sondern auch die Bewohner der Provinzen sind ständige Kunden der Firma, welche täglich eine Unzahl an Postsendungen fortschickt.

Daß die Jubelfeier einer solchen Weltfirma großartige Dimensionen annehmen mußte, daß sich nicht nur die Freunde des Hauses, sondern auch die Behörden zur Beglückwünschung des Jubilars einstellten, wird jeder begreiflich finden. Rudolf Herzog, ein Großkaufmann im vollsten Sinne des Wortes, durfte mit Stolz auf die fünfzig Jahre seiner Tätigkeit zurückblicken; das Erreichte ist sein eigenes Werk, das ihm nicht nur Gewinn, sondern auch zahlreiche Anerkennung gebracht hat. In den zahlreichen Ehrengaben, welche zur Jubelfeier eintrafen, sprach sich die Beliebtheit des Chefs der Firma aus. Kaiser Wilhelm verlieh dem Chef der Firma zum Zeichen seiner Huld den Kronenorden zweiter Klasse. Auch Fürst Bismarck sandte seinen Glückwunsch. Staatssekretär von Stephan sprach in seinem Glückwunschschreiben seinen Dank aus für die Spende von 25.000 Mark, welche Herr Herzog zur Verteilung an bedürftige Hinterbliebene von Angehörigen der Reichspost- und Telegraphenverwaltung zur Verfügung gestellt hatte. Die Kaufmannschaft Berlins schloß sich den Gratulanten an und ließ durch ihre Ältesten dem Jubilar eine prachtvoll ausgestattete Adresse überreichen. Den Dank, den dieser abstattete, war nicht minder großartig – eine Reihe von Festen diente dazu, den Freudentag zu verherrlichen, und reiche Spenden bewiesen den hochherzigen Sinn des Gefeierten. Äußerlich trat das Ereignis auch dadurch zu Tage, daß Herr Herzog sein Haus in überaus reizvoller Weise illuminieren ließ und so den Berlinern eine Augenweide bot, die stets willkommen ist. Wir geben in unserem Bilde eine Darstellung der grandiosen Lichtwirkung, welche diese Illumination hervorrief.

Jetzt sind die Feste wieder verrauscht, die Tagesarbeit ist in ihr Recht getreten und emsige Hände schaffen weiter in den glänzenden Räumen, die einer Großstadt zur Zierde gereichen. Die Firma, welche in der Beliebtheit und dem allgemeinen Vertrauen in der Realität ihrer Geschäftsprinzipien die beste Bürgschaft für ein weiteres glückliches Gedeihen besitzt, wird auch in dem neuen Zeitabschnitt, der für sie heranbricht, den alten Erfolgen neue Triumphe hinzufügen. P.D.

Zierelement
Next Post

Lebensmittelnot in Österreich, 1912

 Die jetzt grassierende Lebensmittelnot, die in Österreich ganz besondere Dimensionen angenommen hat und die die auf dem ganzen Kontinente bestehende Teuerung noch zu einer spezifisch österreichischen gestaltete, macht sich natürlich in den hauptsächlich von Proletariern bewohnten Bezirken, Hernals, Ottakring und…
Read
Previous Post

Das Freihaus in Wien , 1908

Wieder einmal schwebt das Schicksal über einem Stück Alt- Wien, das - ein Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten - längst dicht von Neubauten eingeschlossen ist und als ein lästig gewordenes Verkehrshindernis beseitigt werden soll. Das sogenannte "Freihaus" soll fallen - jenes…
Read
Random Post

Ein Eroberer 1908

Sei gegrüßt, du fröhlich Märchen,Sei willkommen, Karneval,Kommt, Ihr beiden kleinen Närrchen,Kommt, wir gehen zum Faschingsball!Was uns auch bisher woll´t schrecken,In des Werktags trübem Grau,Heut werft alles in die Ecken,Heut ist uns der Himmel blau! ----------------------- Sei gegrüßt, du fröhlich Märchen,Sei…
Read
Random Post

Politische Humorrevue 1. Quartal 1899

Beginn der Serie: Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen 14. Januar: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein* hat den über seine Brauerei in Bodenbach verhängten Boykott zur Kenntnis genommen und beschlossen zu - schweigen. * Vom März 1898 bis Anfang Oktober 1899…
Read
Random Post

Pariser Chronik Februar 1889

Der Februar war diesmal ungnädiger, als es seine Art zu sein pflegt. Sonst schickte er uns, mit der hinterlistigen Absicht allerdings, sich im März durch einige Schneestürme wieder schadlos zu halten, schon in den tollsten Carnevalswirbel einige warme Brisen von…
Read
Random Post

Ein neues Nagetier in Böhmen 1911

In mehreren Blättern erschienen kürzlich Berichte über ein neues Nagetier in Böhmen, über die sogenannte Biberratte. Im Jahre 1906 wurden einige Exemplare der Biberratte von Josef Fürsten zu Colloredo-Mannsfeld behufs Belebung des Parkteichs in Dobris ausgelassen und haben sich dort…
Read

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sollte unwahrscheinlicherweise eine nach Ihrer Ansicht berechtigte Kritik an einer unserer Veröffentlichungen ihr Gemüt beunruhigen, so wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere Redaktion dependance@illustriertesblatt.de