Der größte Marktschreier Frankreichs

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…war der Pariser Bleistifthändler Mangin, eine sehr populäre Straßenfigur seiner Zeit. Er fuhr in einem Wagen auf die belebtesten Plätze, wo er in phantastischer Kleidung: Samtmantel mit Goldfransen, federgeschmückter Ritterhelm- unter dem Ton einer Drehorgel, die sein ähnlich ausstaffierter Diener spielte, seine Portraits verteilte.

Nach großartigem pantomimischem Brimborium, das natürlich eine mächtige Menschenmenge anlockte, gab er durch eine Glocke das Zeichen zum Schweigen der Musik, worauf er eine Anrede hielt, die ungefähr so lautetete:

„Meine Herrschaften! Sie scheinen erstaunt, wer dieser moderne Don Quichote ist. Es ist mir leicht Ihre Neugierde zu befriedigen. Ich bin Mangin, Frankreich´s größter Marktschreier, ja das ist wahr, es ist mein Handwerk. Sie würden das bescheidene, ehrliche Verdienst nicht anerkennen, aber meine blitzende Rüstung, mein ganzer grotesker Aufzug locken Sie an. Der Schein ist für Sie alles- ich kenne das! Vor einigen Jahren hatte ich einen Laden in der Rivolistraße und verdiente nicht die Miete- jetzt verkaufe ich Millionen von Bleistiften, die allgemein als die Besten der ganzen Welt anerkannt werden…….“

Dann breitete er seine Waren aus und verkaufte unter allerlei tollen Possen, während er die Käufer mit witzigen Reden fesselte. Übrigens waren seine Bleistifte wirklich gut und nicht teuer.

Der berühmte amerikanische Reklamemacher Phineas Taylor  Barnum ließ sich bei seinem Besuch von Paris im Jahre 1859 den Kollegen vorstellen. Mangin deutete ihm an, daß er eine große Idee im Kopfe habe, die seine Einkünfte mindestens verdoppeln müsse. Vier Monate darauf las Barnum in den Zeitungen, daß Mangin gestorben sei und einen beträchtlichen Teil seines Vermögens den Armen vermacht habe. Als Barnum jedoch einige Wochen später wieder nach Paris kam, siehe, da war Mangin wieder da- mit seiner Drehorgel, auf dem Wagen und mit seinen Hanswurstiaden. Er hatte ein halbes Jahr lang in tiefster Verborgenheit gelebt und seine Todesnachricht selbst verbreitet, um sich größeren Ruf zu verschaffen. Tatsächlich verkaufte er jetzt viermal so viel Bleistifte als früher, bis zu seinem wirklichen Tode im Jahre 1865. Er soll seinen Erben eine halbe Million Francs hinterlassen haben.  

Inwieweit eine Verwandschaft zum französischen Künstler Marcel Mangin besteht ist nicht bekannt.

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