Schlagwort: 1888-1889

Literarische Rundschau: Sir John Lubbock

Sir John Lubbock: Die Freuden des Lebens

Unter diesem Titel ist soeben im Verlage von Friedrich Pfeilstücker in Berlin eine deutsche Ausgabe des in England bereits in zwölf Auflagen erschienenen Buches von Sir John Lubbock veröffentlicht worden. Über den Inhalt des Werkchens, welches uns in zweiter Auflage vorliegt, geben uns am besten die Kapitelüberschriften Aufschluß:

Die Pflicht glücklich zu sein. – Das Glück der Pflicht. – Ein Bücherhymnus. – Bücherwahl. – Der Segen der Freundschaft. – Der Wert der Zeit. – Reisefreuden. – Die Freuden des Heims. – Die Wissenschaft. – Erziehung.

Sie John Lubbock meint, die Menschen könnten die Kunst, glücklich zu sein, mit leichter Mühe erlernen, wenn sie denn nur ernstlich wollten, und er denkt, die Freuden des Lebens seien gleichsam wie auf einem Buffet in dem großen Ballsaal des Lebens zu jedermanns Gebrauch aufgestellt. Ja, Lubbock redet sogar nicht von einer „Kunst“, sondern von einer „Pflicht“ glücklich zu sein. Das der englische Forscher mit derartigen Ansichten und Behauptungen vereinzelt dasteht, bedarf kaum der Erwähnung. Übrigens ist das Büchlein recht frisch und anregend geschrieben und verdient schon wegen seines Reichtums an Citaten Empfehlung.

Literarische Rundschau: Hans Hopfen

Hans Hopfen:  Robert Leichtfuß

Andere Kreise des modernen Gesellschaftslebens erschließt uns H. Hopfens Künstlerroman. Spannend, anschaulich und farbenreich geschildert, unter dem ersichtlichen Einfluß des Zola`schen  „L`oeuvre“ geschrieben, frei von den sittlichen Bedenken, die das französische Werk erregt, künstlerisch aber zum Teil noch viel anfechtbarer ans jenes (Stuttgart, J. Engelhorn).

Literarische Rundschau: Max Kretzer

Max Kretzer:  Meister Timpe, Ein verschlossener Mensch, Das bunte Buch

Auf selbständige, tüchtige Beobachtung gründen sich M. Kretzer soziale Romane. Aus der Schule Emil Zolas hervorgegangen, aber von Jahr zu Jahr reifer und reiner abgeklärt in sprachlicher wie in allgemein sittlich-künstlerischer Hinsicht, so die ergreifende Geschichte des Meister Timpe (Berlin, S. Fischer), der durchweg spannende und belehrende, dabei von einseitigen Vorurteilen gegen bestimmte Stände völlig freie Roman Ein verschlossener Mensch (Leipzig, Karl Reißner), und die krausen, mitunter zu grellen oder zu phantastischen, skizzenhaft, aber frisch geschriebenen Novellen Das bunte Buch (Dresden, Pierson).

Literarische Rundschau: Wilhelm Raabe

Wilhelm Raabe:  Im alten Eisen

Mit gleicher Wahrheit und ebenso ohne allen Schmutz, mit dem uns gewisse Darsteller dieser Schattenseiten der modernen Gesellschaft nur zu gerne bespritzen, schildert W. Raabe, der Meister in der Kunst, das menschliche Herz bis in seine letzten Gedanken und Empfindungen dichterisch zu entschleiern, die soziale Not unserer Zeit (Berlin, E. Grote).

           Das Odfeld

In einer zweiten Erzählung aus seiner Feder  wird das traurige Schicksal Deutschlands während des Dreißigjährigen Krieges höchst anschaulich ausgemalt (Leipzig, Elischer Nachfolger).

Literarische Rundschau: Karl Pröll

Karl Pröll:  Moderner Totentanz, Bilderbuch eines Sammlers

In dieselben Niederungen des sozialen Lebens der Gegenwart führen uns die Sammlungen Moderner Totentanz, eigenartige, aber stets gesunde und anregende Skizzen von philosophischer Gedankentiefe, voll Phantasie und Gemüt und Bilderbuch eines Sammlers (Berlin, Landsberger).

Literarische Rundschau: Paul Lindau

Paul Lindau:  Arme Mädchen

Die soziale Frage hat eine Anzahl älterer und jüngerer Autoren zu verschiedenen, stellenweise höchst beachtenswerten Erzählungen angeregt. Ein fesselndes, belehrendes und rührendes Bild aus dem Elend der unteren Stände im modernen Berlin, wahrhaft und nach dem Leben gemalt, entrollt sich vor uns in diesem Werk (Berlin und Stuttgart, W. Spemann).

Literarische Rundschau: Wilhelm Jordan

Wilhelm Jordan:  Zwei Wiegen

Durch den philosophisch bedeutenden Gehalt der Grundidee zeichnet sich nicht minder W. Jordan oft kühn, durchaus aber anziehend ersonnener und mit sprachlicher Meisterschaft dargestellter Roman aus. Der Verfasser will beweisen, daß auch die Wissenschaft einen religiösen Gehalt in sich trage (Berlin, E. Grote).

Literarische Rundschau: Wilhelm Jensen

Wilhelm Jensen:  Runensteine

Eine tiefsinnige Grundidee, die ebenfalls für den engen Rahmen, in den sie der Romandichter hineinzwängt, zu großartig und zu fruchtbar ist, stellt W. Jensen in seinen Runensteinen dar. Manche Schroffheit in der Charakteristik einzelner Gestalten mag uns hier sittlich ärgern, unbedingt werden wir jedoch die folgerichtig sichere Zeichnung der wenigen, aber vom Dichter in ihren tiefsten Tiefen ergründeten Personen, den klaren Aufbau der Handlung, den Adel der Sprache bewundern (Leipzig, Elischer Nachfolger).

   Das Asylrecht

Dasselbe Lob gebührt dieser zweiten, gleichfalls in der modernen Gesellschaft spielenden Geschichte Jensens, die den Sieg des ideal denkenden Helden über die einem oft unedlen Realismus huldigende Welt unter dem Beistande der Liebe verherrlicht (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt).

Literarische Rundschau: Julius Grosse

Julius Grosse:  Ein Frauenlos

Ein vorzügliches Problem aus dem modernen Leben hat J. Grosse in seiner allzu knapp gehaltenen Geschichte spannend und mit viel Kunst behandelt. Sie gefällt sich in romantischen, durchaus interessanten Verwicklungen und Situationen, den Einzelheiten seiner Darstellung fehlt aber öfters die volle Lebenswahrheit, dem Problem selbst, an dem der Verfasser sich versuchte, die volle Lösung (München, G.D.W. Callwey).

Literarische Rundschau: K. F. Meyer

Konrad Ferdinand Meyer:  Die Versuchung des Pescara

Den blendenden Glanz der Farbe, die Meisterschaft der Charakterzeichnung und der gesamten kulturgeschichtlichen Darstellung hat K.F. Meyer mit Heyse gemeinsam; diese Vorzüge machen auch seine jüngste Novelle zu einem der genußreichsten und anregendsten Bücher, wenngleich gewisse durch den geschichtlichen Stoff bedingte Mängel dem künstlerischen Bearbeiter unüberwindliche Hindernisse darboten (Leipzig, G. Hässel).

Literarische Rundschau: Paul Heyse

Paul Heyse:  Villa Falconieri und andere Novellen

Vier psychologisch fein erfundene, kunstvoll angelegte und ausgeführte, mit wunderbarer Farbenpracht ausgeschmückte Geschichten, die sich in jeder Weise ebenbürtig seinen unmittelbar vorausgehenden Leistungen anreihen (Berlin, W. Hertz).