Schlagwort: 1899

Politische Humorrevue 1. Quartal 1899

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Beginn der Serie: Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

14. Januar: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein* hat den über seine Brauerei in Bodenbach verhängten Boykott zur Kenntnis genommen und beschlossen zu – schweigen.

* Vom März 1898 bis Anfang Oktober 1899 war Graf Franz v. Thun-Hohenstein k.k. Ministerpräsident und Innenminister der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder.

Vorschlag zur Güte

Könnte nach der geplanten Einführung einer angemessenen körperlichen Züchtigung in den Schulen im Bedarfsfalle nicht auch eine solche der „unbotmäßigen“ – Lehrer platzgreifen, oder wenigstens von „oben herab“ nachgetragen werden, was in dieser Richtung früher etwa versäumt worden ist?

Demetierspritze ( zur gesetzliche Regelung der Sprachenfrage gültig für Böhmen und Mähren)

  1. Spritzer: Justitzminister Dr v. Ruber stellt es entschieden in Abrede, für Schleßien, beziehungsweise dessen Gerichte, eine Sprachenverordnung erlassen zu haben. (Man wird nicht naß.)
  2. Spritzer: Die angebliche Sprachenverordnung für Schleßien gilt für die politischen Behörden, tangiert aber die Gerichtsbehörden nicht im Mindesten. (Man bleibt so trocken wie zuvor.)
  3. Spritzer: Eine f o r m e l l e  Verordnung — wie wir mit aller Bestimmtheit versichern können — wurde für die schleßischen Gerichte nicht erlassen. Wahrscheinlich sind die Gerichte „von selbst“ böhmisch geworden. (Auch jetzt ändert sich an der Trockenheit so gut wie nichts.)

Die höchste Rechtsinstanz Österreichs, der oberste Gerichtshof, hat in zwei kurz aufeinander gefolgten Entscheidungen die Sprachenverordnungen das eine Mal als gesetzeswidrig und das andere Mal als gesetzlich erklärt. Es ist damit endlich die viel umstrittene Frage der Rechtsgültigkeit der Sprachenverordnungen sowohl für die geraden, als auch für die ungeraden Tage entschieden. Es gibt eben noch Richter in Österreich!

Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

28. Januar 1899: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein wartet ab, was die Zukunft noch alles bringen wird. 

In Sachen der verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte

Um den hohen Ernst, mit welchem die Ministeranklagen entgegengenommen werden, gründlich zu kennzeichnen, ist eine Anfrage an die Käsehändler ergangen, ob sie nicht beschriebenes Makulaturpapier zu billigen Preisen zu kaufen wünschen. 

Noch eine Schreckensnachricht:

Schon wieder wurde eine Frauensperson mit aufgeschlitzem Bauch tot gefunden. Die Entleibte ist, wie aus den vorgefundenen Papieren hervorgeht, mit der österreichischen Verfassung identisch. Auf dem Boden umher fand man Koriandoli zerstreut, welche vielleicht auf die Spur des Täters führen werden.

Sicherem Vernehmen nach wird das anglo-österreichische Museum am Stubenring demnächst mit einer neuen Sprachenverordnung an die Bevölkerung Österreichs herantreten und zwar in dem Sinne, daß neben den slawischen Sprachen nur mehr die englische Sprache gepflegt werden darf.

Nur dadurch wäre es möglich, der Bevölkerung das notwendige Verständnis für die Winterausstellung im Museum beizubringen und gleichzeitig das angestrebte Ziel zu erreichen, daß sich die Leute endlich jene Namen und englischen Firmen merken, bei welchen sie ihre allfälligen Einkäufe und Bestellungen zu machen haben. 

Dieswöchentliche Tätigkeit des Koriandoli-Grafen

4. Februar 1899: Seine Excellenz Graf Franz v. Thun-Hohenstein hat seinen Kammerdiener gefragt, ob es vielleicht schon bedeutendere Staatsmänner gegeben hat, als ihn.

Ominöser Druckfehler

Unmittelbar nach der letzten Sitzung wurde dem Präsidium die Verjagung des Parlamentes durch den Ministerpräsidenten angekündigt.

Kahlenberger und Grinzinger

– „Wissen Sie, warum der Stadtrat beantragt hat, daß sich die Gemeinde Wien mit zwei Millionen Gulden bei dem Kirchenbauanleihen beteiligen soll?“

= „Habe keine Ahnung.“

– „Damit die barfußgehenden Schulkinder in den neuen Kirchen um Schuhe beten können.“

Optimist und Pessimist

Optimist: „Selbst der Übelwollendste muß zugeben, daß alle Maßnahmen der Regierung Hand und Fuß haben.“

Pessimist: „Ja, aber keinen Kopf.“

Aus einem geheimen Dossier

Während der Parlamentspause sollen von der Regierung des Grafen Thun die energischen Versuche zur Auseinanderversöhnung der einzelnen Volksstämme fortgesetzt werden. (Wenn der Regierung warm wird, stellt sie das Parlament kalt.)

Fortsetzung folgt…..

Am Polizeicommissariate, 1899

Pamperl: „Herr Kummisär, i möcht´ nur melden, daß i der Aufschlitzer von der Hammerlegass´n in Odakring nöt bin! Meine Freunderln werd´n auf mein Rat a glei kummen.“

Commisär: „Sie scheinen ein Glas über den Durst getrunken zu haben!“

Pamperl: „Beilei! I man nur, es sollt´n sich Alle melden, dö den Murd nöt begangen habn, daß d` Polizei den Richtigen leichter außakriagt.“

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Schlechte Qualifikation 1899

Weshalb wurde denn der Polizeiwachtmeister N. plötzlich pensioniert?

Wegen Dienstuntauglichkeit. Der Mensch hatte eine aufgeregte Volksmenge durch gütliches Zureden zum Auseinandergehen bewogen, statt hineinzuschießen.

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Dankbarkeit 1899

In Berlin erhielt ein Parkarbeiter, welcher sich stets durch „gute Führung, Treue, Fleiß und Bescheidenheit auszeichnete und trotz seiner achtzig Lebensjahre noch immer arbeitet“, ein Geschenk von fünfzig Mark. Der betreffende Arbeiter hat mit tränenerstickter Stimme gebeten, für den Fall, daß er noch einmal auf die Welt kommen sollte, wieder in städtische Dienste eintreten zu dürfen.

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Wiener Vergnügungs­­­anzeiger während der Sommerzeit

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 …weniger für die Fremden, als vielmehr für die Einheimischen berechnet:

  • Montag: Katzenmusik der Sozialdemokraten beim Bürgermeister Dr. Lueger
  • Dienstag: Mehrfache Konflikte der Arbeiter mit der Sicherheitswache
  • Mittwoch: Demonstrativer Aufzug der czecho-slavischen Sozialdemokraten vor dem Hause Dr. Geßmanns, unter Absingung des Liedes „?erveny prapor“.
  • Donnerstag: Katzenmusik vor der Wohnung Gregorig´s
  • Freitag: Skandelszenen und Steinbombardement der Sozi vor der Villa des Prinzen Liechtenstein
  • Samstag: Auflösung mehrerer Arbeiterversammlungen infolge zu tumulöser Auftritte
  • Sonntag: Massenprotestversammlungen und Demonstationen der Arbeiterbevölkerung wegen des Wahlrechtsentwurfs für die Gemeinde Wien
  • 1899­
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Ein zweiter Frauenmord in der Sylvesternacht, 1899

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Der Frauenmörder Simon Schosteritz Noch hatte sich die Bevölkerung der Residenzstadt nicht von den Schrecken des Mordes an dem Mädchen in Ottakring erholt, welches Verbrechen die Gefahr nahe gerückt erscheinen ließ, daß Jack, der Aufschlitzer, seine Tätigkeit von London nach Wien verlegt habe, als in der Sylvesternacht sich ein zweiter Frauenmord ereignete. Der Schauplatz des zweiten Frauenmordes war das Erdgeschoß des Hauses Landstraße, Untere Weißgärberstraße Nr. 32, das Opfer der Bluttat das Mädchen Anna Spilka, die dort als Afterpartei* ein… Read more.

Verstellbare Schiene für Knochen­brüche, 1899

Bei der gegenwärtig sich immer weiter ausbreitenden Vorliebe für Sports aller Art mehren sich natürlich auch die Unfälle, unter denen einfache Knochenbrüche zu den häufigsten gehören. Hierbei ist es höchst wichtig, daß das gebrochene Glied möglichst bald ordentlich eingerichtet und geschient werde. Die bisherigen Schienen litten an dem Übelstande, daß sie nur für eine bestimmte Größe passen; ist gerade die erforderliche Länge nicht zur Hand, so wird viel kostbare Zeit mit der Zurichtung der Schiene verloren.

Schiene für Knochenbrüche

Daher ist es als ein willkommener Fortschritt zu begrüßen, daß neuerdings eine Schiene erfunden worden ist, die man vermöge ihrer praktischen Einrichtung schnell und leicht für jedes Glied und jede beliebige Länge passend einstellen kann. Dies geschieht, wie unser Bild zeigt, durch eine sinnreiche Verbindung zweier Schienenstücke mit einer Gelenkstange, die in entsprechender Weise durch passende Klemmschrauben an den Schienen befestigt wird. Das Bild gibt sowohl die einzelnen Teile dieser neuen Schiene, wie die Art ihrer Anlegung wieder.

Das Material, Aluminium, hat nicht nur den Vorzug großer Leichtigkeit, sondern auch den, daß es für die Röntgenstrahlen völlig durchdringlich ist, man also mittels dieser, ohne den Verband abnehmen zu müssen, noch nachträglich untersuchen kann, ob die Bruchenden genau aufeinander passen und keine Splitter in der Wunde sind. F. Z. 1899

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Das kalte Licht, 1899

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Das kalte Licht des M. Moore

Bei allen unseren Beleuchtungsarten, mögen sie heißen wie sie wollen, ist die Verschwendung an Brennstoff oder, wie beim elektrischen Licht, an Kraft eine ungeheure; indem anstatt Licht auch in hohem Maße Wärme entwickelt wird. Kapelle mit dem kalten Licht des M.Moore Bei einer Petroleumlampe zum Beispiel werden 99 Prozent der durch die Verbrennung erzeugten Gase in Wärme, nur 1 Prozent in Licht verwandelt; beim Leuchtgas beträgt das Verhältnis von Wärme und Licht 98½ Prozent zu 1½ Prozent; selbst bei der… Read more.