Christine Nilson und die List des Impresario, 1913

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Christine Nilson, die „schwedische Nachtigall“, besaß in der Person von M.Stratosch einen Impresario, wie er nicht oft gefunden werden dürfte, denn Stratosch, selbst künstlerisch fein gebildet, war nebenbei noch ein ebenso gerissener wie skrupelloser Geschäftsmann.

Christin Nilsson
Christine Nilsson

Einmal sollte Christine Nilson bei einer Tournee durch Deutschland in Hamburg ein großes Konzert geben. Kurz vor ihr waren jedoch in der alten Hansestadt schon drei andere Sängerinnen von internationalem Ruf aufgetreten, so daß zu befürchten stand, das Publikum würde dem Konzert trotz der geschickten Zeitungsreklame nur noch ein mäßiges Interesse entgegenbringen.

Die Vorbestellung war auch wirklich äußerst gering: drei Tage vor dem Konzert waren kaum achtzig Plätze verkauft. Stratosch ist in heller Verzweiflung, geht´s so miserabel weiter, so setzt er eine Unsumme bei dieser Veranstaltung zu, anstatt wie bisher stets einen schönen Gewinn einzustreichen. Da kommt ihm noch zur rechten Zeit die Erleuchtung.

Er geht zu dem bedeutendsten Goldarbeiter der Stadt und verlangt einen massiv silbernen Pokal aus der Schaufensterauslage besichtigen zu dürfen.
„Und der Preis des Kunstwerks?“ fragte er nach eingehender Prüfung.
„Achttausendfünfhundert Mark.“
„Recht hoch. Trotzdem werde ich den Pokal nehmen.“
„Und wo darf ich ihn hinschicken?“

“ So weit sind wir noch nicht. Hier ist meine Karte. Ich bin Stratosch, der Impresario der großen Sängerin Christine Nilson, die in zwei Tagen hier ein Konzert geben wird, was Ihnen wohl bekannt sein dürfte.“
„Allerdings-„
„Wenn wir bei diesem Konzert nun ein ausverkauftes Haus haben, wie wir’s von allen großen Städten her gewöhnt sind, so werde ich Ihr Kunstwerk kaufen. Schicken Sie´s mir dann mit quittierter Rechnung in mein Hotel. Aber, wie gesagt, nur wenn der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt ist, kann ich´s nehmen. Adieu!“

Wenige Minuten später wiederholt sich diese Unterredung in ähnlicher Form bei einem zweiten Goldarbeiter, dann bei einem dritten, vierten und so fort, bis Stratosch sämtliche Juwelierläden nicht nur in Hamburg, sondern auch in dem benachbarten Altona abgeklappert hat. Überall hinterläßt er eine Bestellung auf einen sehr wertvollen Gegenstand unter der Bedingung, daß der Konzertsaal vollkommen ausverkauft sein müsse.

Auf dieseWeise hatte der Impresario eine Menge einflußreicher Verkaufsagenten gewonnen. Denn die Juweliere gaben sich in der Hoffnung auf den gewinnreichen Verkauf die größte Mühe, Freunde, Bekannte und Kunden zum Besuche des Konzerts zu bewegen.

Am Abend des Konzerts strömte das Publikum in hellen Scharen herbei und Stratosch hatte eine glänzende Einnahme.

Am nächsten Morgen jedoch erhielten die sämtlichen Opfer des geriebenen Stratosch folgende, völlig gleichlautende Briefe: „Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen mitteilen, daß ich den von mir ausgewählten Gegenstand nicht kaufen kann. Es sind leider zehn Plätze gestern unbesetzt geblieben, und die Bedingung, die ich an die endgültige Abnahme knüpfte, ist daher nicht erfüllt worden. In der Hoffnung, daß Sie ein andermal glücklicher sind, M.Stratosch.“

Das der Impresario diese zehn billigen Plätze absichtlich nicht mitverkaufen ließ, ahnte niemand der also Geprellten. Und als nach Jahr und Tag dann die Wahrheit ans Licht kam, hatte keiner der Kaufleute mehr Lust, sich auf einen Prozeß einzulassen.

Laut Wikipedia:

Christine Nilsson weist erstaunliche Parallelen zu Christine Daaé aus dem Phantom der Oper auf. Gerüchten zufolge diente sie Gaston Leroux als Vorlage für seinen 1911 erschienen Roman. 

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